Suldenspitze - 3376 m





Der letzte Tag in dieser Skitourenwoche begrüsst uns mit wolkenlosem Himmel und sonnenbeschienenen Schneebergen. Heute stehen wir früher auf als sonst, und kurz nach 07:00 Uhr bezahlen wir an der Rezeption die individuellen Konsumationen der vergangenen Woche. Wir geniessen leider letztmals das reichhaltige Frühstücksbuffet; am Vorabend hat Emanuel mit dem Hotelier vereinbart, dass wir heute bereits um 07:15 Uhr speisen dürfen. Alles klappt hervorragend, inkl. dem Tages-Tee, den Dreiminuten-Eiern, den Spiegeleiern, dem Kaffee, usw. Kurz nachdem wir zu Tisch sitzen, kommen auch bereits die ersten Veteranen der anderen Gruppen und werden grosszügigerweise ebenfalls vorzeitig ans Buffet gelassen; es hat Platz und Zeit für alle. Bereits am Vorabend hat uns Emanuel angezeigt, dass er um 08:00 Uhr abfahren will und dass wir das Gepäck frühzeitig an der Rezeption deponieren sollen. Fast alle haben diese Vorgabe eingehalten; jedoch muss Emanuel wegen einer verspäteten Reisetasche nochmals den Kofferraum etwas umorganisieren.

Pünktlich fahren wir los in Richtung Sulden; heute hat Emanuel die Suldenspitze als Ziel ausgewählt. Ausgangs Sulden parkieren wir bei der Talstation der Sulden-Bahn, wo wir uns zur Tour ausrüsten; Emanuel löst die Billette bis zur Bergstation und verteilt diese, so dass wir (mehr oder weniger) problemlos durch die Drehkreuze schreiten können. Die grosse Kabine bringt uns alsbald via Mittelstation, wo wir umsteigen müssen, hinauf zur Bergstation auf 2600m, wo wir uns zuerst einmal im Restaurant ein warmes Getränk gönnen, die Toilette aufsuchen und die Klettergurte montieren (schliesslich geht unsere heutige Tour über einen Gletscher). Wie immer in dieser Woche ist das richtige Timing wichtig, denn Emanuel möchte nicht im stärksten Sturm auf dem Gipfel stehen und sich dort festbinden müssen, sondern er plant das richtige Zeitfenster, wo der Wind abflaut. Durch das Fenster beobachtet er eine Skitouren-Gruppe, welche bereits in Richtung Gletscher unterwegs ist, und bespricht sich mit einem lokalen Bergführer, welcher ihm noch einige Tipps gibt.

Bald einmal machen wir unseren obligatorischen LVS-Test (dies wäre eigentlich auch unter Einbezug der automatischen LVS-Teststation möglich gewesen, welche kurz nach dem Restaurant am Wegrand steht) und fahren auf der Piste zum Einstiegspunkt der Tour, wo wir die Felle montieren und in einer alten Spur dem Gletscher entgegengehen. Der Wind weht spürbar; da die Luft jedoch nicht besonders kalt ist, muss man die Kleidung entsprechend anpassen. Weiter vorne sehen wir eine andere grössere Gruppe, welche dasselbe Ziel anstrebt. Zuerst geht es relativ flach vorwärts, doch bald steigt es deutlich an. Markus und René bilden die bewährte Spur-Patrouille, mit einigem Abstand folgt der Rest der Gruppe, und Emanuel kontrolliert das Ganze vom Schluss aus. Unterwegs werden wir von 2 Spitzensportlern überholt, welche wohl für die nächste Olympiade trainieren. Kurz vor einem Plateau überholt uns auch noch eine Patrouille der Guardia di Finanza, welche jedoch bereits auf diesem Plateau wieder zur Talfahrt umrüstet; offenbar sind wir unverdächtig …

Nach diesem Plateau geht es steiler bergwärts, und der Wind bläst deutlich stärker, so dass Markus und René eine weitere Schicht Kleidung anziehen. Als die beiden weiter oben zurückblicken, sehen sie den Rest der Gruppe auf dem Plateau halten und die Rucksäcke abziehen; sie fragen sich, ob diese sich bereits wieder auf Talfahrt begeben wollen. Nachdem sie sehen, dass niemand seine Skier auszieht, gehen sie davon aus, dass es sich nur um einen Kleidungs- und Verpflegungs-Halt handelt, und schreiten weiter voran. Plötzlich kommen ihnen die beiden Spitzensportler entgegen, welche ebenso elegant wie auch rasant talwärts fahren. Nach mehreren Richtungswechseln und dem Passieren von Gletscherspalten erreichen wir das nächste Plateau, wo Emanuel wieder die Führung übernimmt. Gegen Ende des Gletscher-Bereichs sehen wir die grössere Gruppe bereits wieder vom Gipfel heruntersteigen; diese haben bei der Janinger-Scharte ein Ski-Depot errichtet und sind den restlichen Weg zu Fuss hinauf- und wieder heruntergestiegen. Da dieser geschützte Bereich somit bereits belegt ist, müssen wir, entgegen von Emanuels ursprünglichem Plan, welcher hier Helm und Skibrille montieren lassen wollte, direkt weiterziehen. Der letzte Abschnitt führt uns der Krete entlang auf die Spitze, welche genügend flachen Platz zum Umrüsten bietet. Emanuel zeigt uns noch eine Maschinengewehr-Lafette aus dem ersten Weltkrieg, und wir haben noch etwas Zeit zum Geniessen der wunderbaren Aussicht auf Königsspitze, Zebru, Ortler, Zufallsspitze, Cevedale und Monte Pasquale sowie auf einige Hütten. Leider ist der Genuss rasch vorbei, denn der Wind frischt auf und bläst uns fast vom Gipfel. Auf den Knien müssen wir uns zur Talfahrt umrüsten und uns sehr konzentrieren, dass uns der Sturmwind nichts aus den Händen bläst und auch den Rucksack nicht mit Schnee füllt. Dank Emanuels Unterstützung schaffen es doch alle, bereit zur Talfahrt auf den Skiern zu stehen, und Emanuel fährt voran, denselben Weg zurück wie beim letzten Teil des Aufstiegs. Vor der Scharte nimmt er jedoch eine Abkürzung, einen kurzen Steilhang hinunter auf den Gletscher, welchen wir mit Seitwärts-Rutschen bewältigen, wobei das nicht alle besonders locker angehen. Wir sind die letzten Menschen hier oben, alle anderen sind bereits zu Tal gefahren. Wie immer findet Emanuel Hänge, welche noch keine Fahrspuren aufweisen, so dass wir im Pulverschnee Genuss pur erleben können. Emanuel sondiert immer wieder die Lage, bevor wir den nächsten Abschnitt in Angriff nehmen. Etwas oberhalb der Piste erschrickt er, sieht er doch hinter uns plötzlich eine andere Gruppe Skifahrer wie aus dem Nichts auftauchen, obwohl wir doch zuoberst ganz alleine waren und uns auch niemand entgegengekommen ist. Wir beeilen uns, noch vor dieser Gruppe die unbefahrenen Hänge zu geniessen, bis wir auf die Piste von der Bergstation gelangen und darauf weiter talwärts fahren. Bei der Mittelstation kann Emanuel dann das Rätsel lösen; die andere Gruppe mit ihrem Bergführer ist von einer Hütte aufgestiegen, was wir nicht sehen konnten. Auf der langweiligen Piste, welche aufgrund des eher flachen Verlaufs fast nur Geradeaus-Fahrten zulässt, fahren wir zur Talstation zurück; unterwegs wundert sich Emanuel, dass er mehrmals von René überholt wird, obwohl dieser doch eher kurze Skier (resp. angemalte Schalungsbretter) hat …

Bei der Talstation befreien wir die Skier vom Schnee und trocknen die Kanten, damit diese nicht rosten. Emanuel möchte im grossen Restaurant neben der Talstation eine Jause-Pause einlegen; die Plätze draussen wie auch drinnen sind jedoch gut besetzt, und zudem ist es ziemlich laut, so dass wir uns entscheiden, weiter zu fahren und unterwegs an einem ruhigeren Plätzchen anzuhalten. Während der Fahrt zurück in Richtung Gomagoi sieht Emanuel in einer Haarnadelkurve eine Tafel, welche auf ein Gasthaus hinweist; leider sind wir zügig unterwegs, so dass wir die Abzweigung verpassen und weiter unten wenden müssen. Dies hat sich jedoch gelohnt, denn wir finden ein sehr ruhig gelegenes, gemütliches Gasthaus und werden von der Wirtin sehr freundlich mit Produkten aus heimischer Produktion (aus dem angrenzenden Bauernhof) verwöhnt. Die Wirtin wird noch unterstützt von einer anderen Frau, welche hier eigentlich nur auf ihren Mann warten will, welcher mit dem Wirt auf einem Ausflug ist. Wir geniessen die Auszeit an der Sonne im Gartenrestaurant, wo uns die Bedienung auch noch Sitzkissen auf die Stühle legt, so dass es durchaus bequem ist. Emanuel packt sein Alphorn aus und entlockt diesem einige Töne. Die Hof-Katze schleicht um den Bus herum, und da einige Türen offen sind, inspiziert sie diesen auch von innen. Zudem ist sie vom Alphorn angetan und schaut ganz genau nach, ob sich in der grossen Öffnung nicht etwa eine Maus versteckt hat. Während wir auf das Essen warten, kopiert René noch die Fotos von diversen iPhones und von Emanuels Fotoapparat auf sein Notebook, damit er diese nach entsprechender Bearbeitung auf seiner Homepage (www.zbr.ch) allen zur Verfügung stellen kann. Christine erkundigt sich noch bei René, welches Problem er mit seiner rechten Schulter habe. René erklärt seine Bewegungs-Einschränkung; Emanuel ergänzt, dass er bei seinem ersten Kletterunterricht mit Ursi und René gedacht habe, er könne auch gleich an eine Wand reden, der mache ja doch, was er wolle, nämlich alles Material am Klettergurt links anhängen anstatt schön verteilt, bis er schliesslich über Renés Handicap aufgeklärt wurde.

Frisch gestärkt fahren wir mit dem Bus weiter in Richtung Ofenpass, vorbei am Hotel Lamm in Taufers. Unterwegs ruft noch ein Bergführer-Kollege von Emanuel an, welcher in Valchava im Ferienhotel Central La Fainera einquartiert ist. Die beiden tauschen sich aus, und da Emanuels Kollege zu wenig Klettergurte dabei hat, machen wir einen kleinen Abstecher zum Hotel und übergeben ihm einige Gurte aus Emanuels Fundus. Weiter geht es über den Ofenpass, welcher jetzt schneefrei ist, nach der Verladestation Sagliains, wo wir dank guter Planung und angepasster Fahrweise rechtzeitig ankommen. Diesmal müssen wir nicht stundenlang anstehen, sondern können rasch mit dem nächsten Autozug durch den Vereina fahren. Weiter geht es durch das Prättigau in Richtung Landquart, wo wir auf die Autobahn in Richtung Wädenswil auffahren. Wir wundern uns, wie viel Verkehr es an diesem Freitagabend in beide Richtungen hat (bereits seit dem Vereina); dies mag wohl auch auf den Engadiner Skimarathon zurückzuführen sein. Trotz des starken Verkehrs kommen wir zügig voran, so dass Emanuel um 20 Uhr in den Hangar einfahren kann. Rasch wird alles Gepäck vom Bus auf die verschiedenen Autos der Gäste umgeladen, und nachdem Emanuel die Endabrechnung gemacht hat und alle Gäste ihren Anteil bezahlt haben, verabschieden wir uns etwas wehmütig aus einer wunderbaren Skitourenwoche, in welcher wir in einem sehr gastfreundlichen Hotel untergebracht waren, und in der wir sehr schöne Touren in angenehmer Gesellschaft unternehmen durften.

Wir danken Emanuel ganz herzlich für seine intensive, aufgrund der Wetterlage und der Schneeverhältnisse nicht immer einfachen Planung und seine individuelle Betreuung in dieser schönen Skitourenwoche, welche sein ganzes Können und seine ganze Erfahrung forderte. Trotz der schwierigen Ausgangslage hat er uns schöne Skitouren, natürlich inklusive der obligatorischen Waldabfahrten, und unvergessliche Erlebnisse auf stürmischen Bergen ermöglicht. Besonders danken wir auch Esther für die gute Vorbereitung, Organisation und Unterstützung im Back-Office. Und natürlich hoffen wir, dass im nächsten Jahr auch Ursula Derendinger wieder mit dabei sein kann, denn ihren Humor und ihre sympathische Art haben wir diesmal schon etwas vermisst … aber immerhin konnte sie dank unserer WhatsApp Gruppe in Gedanken mit dabei sein.





Für den Tourenbericht verantwortlich: René